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Biophilie in der Praxis: Die Evidenz hinter naturgestützter Begleitung

Warum Natur wirkt: Psyche, Stresssystem und Hormonhaushalt im Zusammenspiel

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In der Natur bekommt dein Nervensystem ein klares Sicherheitssignal: Weite, Licht, Wind, Vogelstimmen. Das dämpft die innere Alarmbereitschaft und erleichtert Regulation – Atmung vertieft sich, Muskeltonus sinkt, der Kopf sortiert leichter. Viele erleben: Grübeln lässt nach, Stimmung und Konzentration erholen sich.

Aus psychologischer Sicht spricht man hier oft von Aufmerksamkeits-Erholungs-Theorie: Natur bietet „sanfte Faszination“. Deine willentliche, schnell ermüdende Aufmerksamkeit darf sich erholen, während du dich von unaufdringlichen Reizen tragen lässt. Parallel greift, physiologisch betrachtet, der Parasympathikus (der „Ruhe-Zweig“ des autonomen Nervensystems) stärker – der Körper schaltet von „Alarm“ auf „Regeneration“.

Diese Beruhigung zeigt sich auch messbar: In Studien sinken bei Menschen nach Aufenthalten im Grünen typische Stressmarker, zum Beispiel Speichel-Kortisol (ein Stresshormon). Zeichen eines ausgeglicheneren autonomen Nervensystems nehmen zu, etwa eine günstigere Herzschlag-Variabilität (kleine, gesunde Schwankungen zwischen den Schlägen). Erste Arbeiten deuten zudem darauf hin, dass regelmäßige Naturzeit Teile der Immunabwehr unterstützt. Das ersetzt keine Behandlung – es spricht aber dafür, Natur gezielt als Ressource einzusetzen.

Wie viel braucht es? Schon kurze, regelmäßige Dosen wirken. Als praxistaugliche Orientierung gelten rund zwei Stunden pro Woche im Grünen – verteilt oder am Stück. Wichtiger als die exakte Zahl ist die Routine: lieber öfter kurz als selten lang.

So nutze ich das in meiner Begleitung: Wir holen die Natur bewusst ins Arbeiten. Draußen gehen wir ein Stück, finden Atem und Takt, benennen, was gerade da ist, und leiten daraus klare, machbare Schritte ab. Online binden wir Naturreize dennoch ein – etwa durch eine kurze Atem- und Wahrnehmungsübung am Fenster, einen Blick ins Grün oder (wenn es passt) als „Walk & Talk“ mit Kopfhörer auf deinem vertrauten Weg. Ziel bleibt gleich: weniger innere Anspannung, mehr Präsenz und ein spürbares Gefühl von Selbstwirksamkeit.

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Quellen

Bratman, G. N., Hamilton, J. P., Hahn, K. S., Daily, G. C., & Gross, J. J. (2015). Nature experience reduces rumination and subgenual prefrontal cortex activation. PNAS, 112(28), 8567–8572. 

Yao, W., Zhang, X., & Gong, Q. (2021). The effect of exposure to the natural environment on stress reduction: A meta-analysis. Urban Forestry & Urban Greening, 57, 126932. 

White, M. P., Alcock, I., Grellier, J., et al. (2019). Spending at least 120 minutes a week in nature is associated with good health and wellbeing. Scientific Reports, 9, 7730.

World Health Organization, Regional Office for Europe. (2016). Urban green spaces and health: A review of evidence. WHO Regional Office for Europe.

© 2025 Lynn Kugler

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